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Liebe war mehr Künstlerrausch als wahrhafte Zuneigung
und hatte sich durch die Dauer nicht bewahrt.
Wie verlangte Augustine danach, ihre Eltern und
Schwester wieder zu umarmen, die ihrer Kindheit so viel
Zuneigung und Anhänglichkeit erwiesen, beides mangel-
te ihr jetzt, und die glänzende, volkreiche Welt dünkte ihr
deshalb eine Einöde.
Sie sah nach langer Zeit das stille Haus wieder, in wel-
chem sie ihre Kindheit verlebt. Seufzend betrachtete sie
das Fensterlein, vor welchem sie ihrem Heinrich erschie-
nen war, als er noch so heiß und zärtlich sie liebte. Sie
trat ein. das Innere des Hauses war ganz unverändert, der
merkantilische Geist hatte sich verjüngt. Virginie hatte
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den Platz inne, auf welchem die Mutter sonst zu sitzen
pflegte, und Joseph, die Feder hinterm Ohr, trat der be-
trübten jungen Frau ziemlich unachtsam entgegen. Er
war so beschäftigt, daß er sie kaum ansah. Virginie emp-
fing ihre Schwester sehr frostig.
Als Gattin des verständigen Lebas fürchtete sie, der un-
gewöhnliche Morgenbesuch dürfte Geldangelegenheiten
betreffen, und hütete sich, ein inniges, vertrauliches Ge-
spräch mit ihrer Schwester anzuknüpfen.
Es war Zeit zum Frühstück. Virginie führte ihre Schwes-
ter in den Saal und nötigte sie, von allen Schüsseln zu
kosten, obgleich sie keinen Bissen essen mochte. Augus-
tine nahm viele Veränderungen wahr, die Joseph Lebas
Ehre machten. Alles atmete Wohlstand und Überfluß,
und die Eheleute behandelten sich gegenseitig mit unver-
gleichlicher Achtung und Aufmerksamkeit.
Die Ankunft des alten Guillaume und seiner Gattin be-
lebte endlich diese einförmige Szene. Er trat mit den
Worten ein: »Gut, daß ich dich einmal wiedersehe, mein
liebes Kind! Ich habe mir schon lange gewünscht, mit dir
zu reden.«
Augustine erblaßte.
»Wir sind hier unter uns,« fuhr der Vater schonungslos
fort. »Ist es wahr, mein Kind, daß dein Mann sich mit
nackten Weibern einschließt, und du gutmütig genug
denkst, es geschehe, um sie zu malen?«
»Aber, lieber Vater, das tun alle Maler.«
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»Das hat er mir nicht gesagt, als er um deine Hand warb,
ich hätte sonst wahrlich meine Einwilligung nicht gege-
ben, denn das ist der Religion und der Sittlichkeit völlig
zuwider. Und ist es wahr, daß er um ein Uhr nachts erst
heimkehrt?«
»Aber, lieber Vater «
»So ist er ein Spieler, denn solche Leute nur kommen so
spät nach Hause. Und dir gönnt er auch nachts nicht Ru-
he: du siehst, ich weiß alles. Du mußt nachts auf ihn war-
ten, und wenn er Lust hat, mit ihm spazierengehen.«
»Bester Vater, ein Künstler hat viel Sonderbares im Le-
ben: um sein Talent anzuregen, muß er ganz anders leben
als unsereiner. Er liebt sehr die nächtlichen Szenen.«
Jetzt fing auch die Mutter zu keifen an. »Ich wollte ihm
nächtliche Szenen machen.« unterbrach sie die Tochter,
»daß er daran denken soll. Wie kannst du mit einem sol-
chen Manne leben, es ist ja ein Tollhäusler! Wie darf ein
Ehemann, ohne ein Wort zu sagen, zehn Tage lang aus
dem Hause bleiben, und dir macht er weiß, er sei in
Dieppe gewesen, um die See zu malen, ja, es malt sich
auch was, die See ich weiß besser, wo er war.«
«Liebe Mutter!«
«Still! Ich will von dem Menschen nichts mehr wissen;
niemals hat er einen Fuß in die Kirche gesetzt, außer
einmal, um dich zu heiraten, und Leute, die nichts von
der Kirche halten, sind zu allem fähig.«
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»Beste Mutter, du urteilst von einem Künstler gar zu un-
barmherzig.«
»Ein Künstler? Ich habe ihn einmal in den elisäischen
Feldern reiten sehen, bald jagte er im gestreckten Galopp,
bald wieder ging sein Pferd, als wollte es einschlafen,
und grüßt er deine Eltern wohl, wenn er ihnen auf der
Straße begegnet? Und obenein, wie behandelt er dich?
Man sagt, er mache es dir stets zum Vorwurf, daß du
eine Kaufmannstochter bist, er lacht dich aus, wenn du
über Bilder sprichst, er quält dich Tag und Nacht, und
was noch mehr ist, er ist dir untreu und bricht die Ehe mit
einer verrufenen welschen Gräfin Carigliano!«
»Ja, mein Kind,« fiel der Vater ein, »das alles wissen wir,
und weil du einmal hier bist, so sage ich es dir gerade
heraus: Du sollst dich von dem Manne scheiden lassen,
der dich bei Tage quält, bei Nacht dir den Schlaf nicht
gönnt, um sich deiner zu entledigen, weil er dich nicht
mehr liebt und kurz und gut, du sollst hier bleiben und
das Haus des schlechten Menschen gar nicht wieder be-
treten. Ich als Vater halte es für Pflicht, dich gegen sol-
che Mißhandlungen zu schützen, die ärger nicht sein
können.«
Da aber erhob sich Augustine weinend, erklärte, daß sie
diesen Auftritt bei ihren Eltern nach langem Wiedersehen
nicht erwartet, und versicherte mit aller Kraft ihrer Seele,
daß sie nie einen Mann verlassen würde, den sie von
Herzen liebe, und selbst wenn er ihr tausendmal ärgere
Mißhandlungen zufügte.
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Sie verlangte ihren Wagen, nahm in Tränen von ihren
Eltern und ihrer Schwester Abschied und sagte, daß sie
nach den Beleidigungen, die man sich hier gegen ihren
Gatten erlaubt, das Haus nie wieder betreten würde.
Von aller Welt sich verlassen fühlend, kehrte sie heim.
Sie durcheilte unruhvoll die großen Säle ihrer Wohnung,
alles war öde, unheimlich, und kein einziger Gegenstand
war, der ihr Trost einflößen konnte. »Was fange ich an,«
seufzte sie, »das Herz meines Gatten wieder zu gewin-
nen? Kein Mittel will ich scheuen, selbst solche sollen
mir willkommen sein, die ich bisher verabscheut. Läßt
sich meines Gatten Herz nur durch Buhlerkünste gewin-
nen, ich will sie ihm zuliebe erlernen, bin ich nicht jün-
ger, schöner als die geschminkte welsche Gräfin? Ich will
zu ihr, wenn sie gut gesinnt ist, will ich von ihr das Herz
meines Gatten zurückerbitten, wo nicht, von ihr lernen,
durch welche Mittel ich es mir wieder erwerben kann.«
Sie hielt Wort. Mit dem Mute, den ein gutes Gewissen
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