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und die übrigen in einer desto verdrießlichern Lage. Sie erschienen unserm Freunde manchmal wie
böse Geister und machten ihm nicht bloß durch ihre Gegenwart, sondern auch oft durch flämische
Gesichter und bittre Reden einen verdrießlichen Augenblick. Serlo hatte sie nicht einmal zu
Gastrollen gelassen, geschweige daß er ihnen Hoffnung zum Engagement gemacht hätte, und hatte
dessenungeachtet nach und nach ihre sämtlichen Fähigkeiten kennengelernt. Sooft sich
Schauspieler bei ihm gesellig versammelten, hatte er die Gewohnheit, lesen zu lassen und
manchmal selbst mitzulesen. Er nahm Stücke vor, die noch gegeben werden sollten, die lange nicht
gegeben waren, und zwar meistens nur teilweise. So ließ er auch nach einer ersten Aufführung
Stellen, bei denen er etwas zu erinnern hatte, wiederholen, vermehrte dadurch die Einsicht der
Schauspieler und verstärkte ihre Sicherheit, den rechten Punkt zu treffen. Und wie ein geringer aber
richtiger Verstand mehr als ein verworrenes und ungeläutertes Genie zur Zufriedenheit anderer
wirken kann, so erhub er mittelmäßige Talente durch die deutliche Einsicht, die er ihnen unmerklich
verschaffte, zu einer bewundernswürdigen Fähigkeit. Nicht wenig trug dazu bei, daß er auch Gedichte
lesen ließ und in ihnen das Gefühl jenes Reizes erhielt, den ein wohlvorgetragener Rhythmus in
unsrer Seele erregt, anstatt daß man bei andern Gesellschaften schon anfing, nur diejenige Prosa
vorzutragen, wozu einem jeden der Schnabel gewachsen war.
Bei solchen Gelegenheiten hatte er auch die sämtlichen angekommenen Schauspieler
kennenlernen, das, was sie waren und was sie werden konnten, beurteilt und sich in der Stille
vorgenommen, von ihren Talenten bei einer Revolution, die seiner Gesellschaft drohete, sogleich
Vorteil zu ziehen. Er ließ die Sache eine Weile auf sich beruhen, lehnte alle Interzessionen
Wilhelms für sie mit Achselzucken ab, bis er seine Zeit ersah und seinem jungen Freunde ganz
unerwartet den Vorschlag tat: er solle doch selbst bei ihm aufs Theater gehen, und unter dieser
Bedingung wolle er auch die übrigen engagieren.
»Die Leute müssen also doch so unbrauchbar nicht sein, wie Sie mir solche bisher geschildert
haben«, versetzte ihm Wilhelm, »wenn sie jetzt auf einmal zusammen angenommen werden
können, und ich dächte, ihre Talente müßten auch ohne mich dieselbigen bleiben.«
Serlo eröffnete ihm darauf unter dem Siegel der Verschwiegenheit seine Lage: wie sein erster
Liebhaber Miene mache, ihn bei der Erneuerung des Kontrakts zu steigern, und wie er nicht
gesinnt sei, ihm nachzugeben, besonders da die Gunst des Publikums gegen ihn so groß nicht
mehr sei. Ließe er diesen gehen, so würde sein ganzer Anhang ihm folgen, wodurch denn die
Gesellschaft einige gute, aber auch einige mittelmäßige Glieder verlöre. Hierauf zeigte er Wilhelmen,
was er dagegen an ihm, an Laertes, dem alten Polterer und selbst an Frau Melina zu gewinnen
hoffe. Ja, er versprach, dem armen Pedanten als Juden, Minister und überhaupt als Bösewicht einen
entschiedenen Beifall zu verschaffen.
Wilhelm stutzte und vernahm den Vortrag nicht ohne Unruhe, und nur, um etwas zu sagen,
versetzte er, nachdem er tief Atem geholt hatte: »Sie sprechen auf eine sehr freundliche Weise
nur von dem Guten, was Sie an uns finden und von uns hoffen; wie sieht es denn aber mit den
schwachen Seiten aus, die Ihrem Scharfsinne gewiß nicht entgangen sind?«
»Die wollen wir bald durch Fleiß, Übung und Nachdenken zu starken Seiten machen«, versetzte
Serlo. »Es ist unter euch allen, die ihr denn doch nur Naturalisten und Pfuscher seid, keiner, der
nicht mehr oder weniger Hoffnung von sich gäbe; denn soviel ich alle beurteilen kann, so ist kein
einziger Stock darunter, und Stöcke allein sind die Unverbesserlichen, sie mögen nun aus
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Eigendünkel, Dummheit oder Hypochondrie ungelenk und unbiegsam sein.«
Serlo legte darauf mit wenigen Worten die Bedingungen dar, die er machen könne und wolle, bat
Wilhelmen um schleunige Entscheidung und verließ ihn in nicht geringer Unruhe.
Bei der wunderlichen und gleichsam nur zum Scherz unternommenen Arbeit jener fingierten
Reisebeschreibung, die er mit Laertes zusammensetzte, war er auf die Zustände und das tägliche
Leben der wirklichen Welt aufmerksamer geworden, als er sonst gewesen war. Er begriff jetzt
selbst erst die Absicht des Vaters, als er ihm die Führung des Journals so lebhaft empfohlen. Er
fühlte zum ersten Male, wie angenehm und nützlich es sein könne, sich zur Mittelsperson so vieler
Gewerbe und Bedürfnisse zu machen und bis in die tiefsten Gebirge und Wälder des festen Landes
Leben und Tätigkeit verbreiten zu helfen. Die lebhafte Handelsstadt, in der er sich befand, gab ihm
bei der Unruhe des Laertes, der ihn überall mit herumschleppte, den anschaulichsten Begriff eines
großen Mittelpunktes, woher alles ausfließt und wohin alles zurückkehrt, und es war das erste Mal, daß
sein Geist im Anschauen dieser Art von Tätigkeit sich wirklich ergötzte. In diesem Zustande hatte
ihm Serlo den Antrag getan und seine Wünsche, seine Neigung, sein Zutrauen auf ein angebornes
Talent und seine Verpflichtung gegen die hülflose Gesellschaft wieder rege gemacht.
»Da steh ich nun«, sagte er zu sich selbst, »abermals am Scheidewege zwischen den beiden
Frauen, die mir in meiner Jugend erschienen. Die eine sieht nicht mehr so kümmerlich aus wie
damals, und die andere nicht so prächtig. Der einen wie der andern zu folgen, fühlst du eine Art von
innerm Beruf, und von beiden Seiten sind die äußern Anlässe stark genug; es scheint dir unmöglich,
dich zu entscheiden; du wünschest, daß irgendein Übergewicht von außen deine Wahl bestimmen möge,
und doch, wenn du dich recht untersuchst, so sind es nur äußere Umstände, die dir eine Neigung zu
Gewerb, Erwerb und Besitz einflößen, aber dein innerstes Bedürfnis erzeugt und nährt den Wunsch,
die Anlagen, die in dir zum Guten und Schönen ruhen mögen, sie seien körperlich oder geistig, immer [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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