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wie Teenager.
Der Kapitän, der Kopilot und Captain Jassid traten auf, gingen gemeinsam durch die
Reihen. Sie bemühten sich, kein Gefühl zu zeigen, aber sie lächelten alle in der glei-
chen Weise, stolz, verlegen, entspannt. Jemand fing an zu klatschen, sofort
applaudierten alle Passagiere. Der Kapitän sah nach dem Schaden an der Decke.
Die Fenster immer noch wie von Staub verhangen.
Jassid sprach. Diesmal brüllte er nicht. Der Kopilot sei geflogen, er habe eine
wundervolle Landung gemacht, im Sand, man habe nur im Sand landen dürfen. Er
gratulierte ihm, er schien stolz auf ihn.
Wir klatschten wieder. Bravorufe. Der rötliche Staub lichtete sich. Nun spürte ich den
Sand im Mund.
Wir konnten nicht ermessen, in welcher Gefahr wir gewesen waren. Nur aus dem
erleichterten Lächeln des Kapitäns, des Kopiloten und der Dankesrede Jassids war
zu schließen, daß ein unerwarteter, ungeheuerlicher Abgrund übersprungen war. Wir
klatschten unsere verspätete Angst weg. Die Sonne war eben untergegangen.
Den Blick nach draußen verboten sie diesmal nicht. Gern hätte ich wieder am
Fenster gesessen, ich hatte Mühe, an Ingeborg und Herrn Walters Kopf vorbei durch
die Scheibe zu starren in die Dämmerung hinaus. Ich wußte nicht, was ich sah oder
was ich mir einbildete, Soldaten, vielleicht waren es wirklich Soldaten, die
heranstürmten in gemäßigtem Laufschritt, auf die Maschine zurobbten, die Gewehre
hochrissen und auf uns zielten. Nun blickten Herr Walter und Ingeborg hinaus, auch
die Passagiere vor uns hatten sich den Fenstern zugewandt. Es war schwierig,
neben den Köpfen der Nachbarn noch einen Ausguck zu finden. Panzerwagen
ordneten sich zwischen den Soldaten ein. Sie hielten einen gewissen Abstand. Die
militärischen Bewegungen draußen sahen inszeniert aus, absurd. Wieder hatte ich
den Eindruck, eher im Theater zu sitzen als in einer realen Gefahr. Die Nacht kam
schnell, und je mehr die Soldaten schemenhaft in die Dunkelheit tauchten, desto
deutlicher meinte ich den Ring zu sehen, den sie bildeten. Ich saß im Theater, die
Beleuchtung auf der Bühne wurde schwächer, und es war nicht zu erkennen, ob
hinter der ersten Reihe Soldaten noch eine zweite Reihe aufgebaut war. Je mehr ich
die Augen anstrengte, desto mehr verschwanden die Uniformen, die Waffen und
zuletzt auch die Gesichter der Schauspieler. Sie blickten auf uns, sie zielten auf uns.
Die Vorstellung wird gleich beginnen oder gleich zu Ende sein. Im Zuschauerraum
war es nun ganz dunkel. Ich meinte, von draußen her Gewisper zu hören, leise Be-
fehle, Signallaute - und alles in einer Frequenz, die das menschliche Ohr nicht
erfassen kann, als hätte der Sturz in den Sand mir die Fähigkeit gegeben, den
Ultraschall zu hören, die Laute der Tiere, die Gesänge der Heuschrecken, das
Flüstern entfernter Menschen. Mein müder Kopf, umzingelt von Gewehren und
geheimnisvollen Geräuschen.
Alles Theatereffekte! dachte ich, jetzt sind wir schon über vier Tage gefangen, und
ich weiß schon gar nicht mehr, was wir alles erlebt haben in diesen achtzig, nein,
mehr als achtzig Stunden! Immer wird uns etwas Neues geboten, eben eine
Notlandung im Wüstensand, jetzt die Aufführung einer Soldaten-Oper mit großem
Chor. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie angefangen hätten zu singen wie
mürrische Don-Kosaken.
Es blieb dunkel in der Maschine, es wurde warm. Man öffnete die Türen. Einer der
Piloten schrie durch ein Megafon, in englischer Sprache:
- Nicht schießen! Wir sind friedliche Leute! Dies ist ein deutsches Flugzeug. Wir
mußten eine Notlandung machen. Wir möchten mit einem deutschen Vertreter spre-
chen, einem westdeutschen Vertreter!
Die Soldaten schössen nicht. Sie sangen nicht. Sie hatten keine Sprechrolle.
Vielleicht waren sie gar nicht mehr da.
Vielleicht waren sie nie dagewesen. Vielleicht alles eine Fata Morgana.
Dann schrie Jassid in seiner Sprache etwas nach draußen. Auch er bekam keine
Antwort. Vielleicht hatte er die gleichen Halluzinationen wie wir. Vielleicht hatten ihn
diese vier Tage auf eine versteckte Weise verrückt gemacht, vielleicht sprang seine
Verrücktheit, die uns in der endlosen Gefangenschaft schon längst normal erschien,
nun auf eine höhere Stufe, vielleicht hatte die stumpfe, tödliche Landung im Sand
ihm das Gehirn verdreht wie uns allen, vielleicht waren wir längst ertrunken im Sand
und bildeten uns nur noch ein zu leben. Jassid schrie in die Nacht hinaus, als wollte
er wirklich nur die Bestätigung haben, daß er eben lebendige Wesen gesehen hatte.
Wir hofften auf eine Lösung, eine Entscheidung, eine Nachricht wenigstens, und wir
hatten Soldaten gesehen, der ganze Sand voll Soldaten, und nun waren sie
abgezogen, von der Nacht verschluckt.
Niemand antwortete. Das war die größte Beleidigung, die wir bis jetzt erlebt hatten.
Sie sprachen nicht einmal mehr mit uns!
- Warum funken wir denn nicht mit denen? fragte der Herr hinter uns.
- Der Kapitän kennt die Frequenz nicht, das ist das Problem, sagte die Stewardeß
Erika.
Also warten, wieder warten und warten. Es blieb dunkel.
Die Stewardessen gaben Wasser aus. Dann stellten Jutta und Erika sich mit der
Abfalltüte und einer Taschenlampe in den Gang und verteilten die vor der
Notlandung eingesammelten Gegenstände. Sie hielten zuerst die Kettchen hoch,
beschrieben Farbe oder Form des Anhängers, und gleich zu Anfang hatten sie meine
Silberkette gegriffen. Es war mir recht, nicht länger aufpassen zu müssen. Brillen,
Kugelschreiber, Broschen, alles wurde sorgfältig vorgezeigt und beschrieben, bis es
an die einzelnen Eigentümer durchgereicht wurde. Ingeborg achtete darauf, daß sie
genau die richtigen Haarklammern zurückbekam. Am längsten dauerte die Verteilung
der Gebisse. Die Leute mußten im Zweifelsfall ausprobieren, ob es die richtigen
waren. Mit großem Ernst waren sie bei der Sache, eine Gemeinschaft für sich, denn
niemand schien sich davor zu ekeln, ein Gebiß in den Mund zu nehmen, das eben
erst am Gaumen eines anderen gehaftet hatte.
Währenddessen wagte ich nach meinem Kugelschreiber zu kramen. Ich fand ihn an
der erwarteten Stelle nicht und griff immer tiefer zwischen die Polster, fingerte alles
ab, bückte mich, bei dem schwachen Licht war er auch unten am Boden nicht zu
entdecken. Jede Bewegung schmerzte, das Blut lag schwer in den Beinen, es fraß
mir an den Adern, es wollte nicht mehr durch den Körper kreisen. Mit hilflosen Griffen
an den Waden versuchte ich, es wieder auf die Bahn zu schicken. Die Kiefermuskeln
gelähmt, und zu allem der tönende Schmerz im Kopf.
Draußen die schwarze Wüste. Ich war sicher, die Soldaten waren nur vorgeschickt
worden, uns zu täuschen. Jeder Flughafendirektor, jeder General, jeder Politiker
mußte wissen, daß wir einen anderen Empfang verdient hatten als diesen. Wir hatten
ein Recht darauf, endlich zu erfahren, was man mit uns vorhatte. Vor einigen
Stunden hatte ich noch gedacht, na gut, wenn es sein muß, dann stell dich auf
weitere vier Tage ein, sicherheitshalber. Aber jetzt ging das nicht mehr, jetzt ging gar
nichts mehr, jetzt saßen wir fest im Sand, jetzt mußte man uns hier herausholen,
sofort.
Draußen blitzte eine Waffe auf, beleuchtet wie von einem weit entfernten
Scheinwerfer. Das Licht kam wieder, es kam von mehreren Seiten gleichzeitig. Der
Mond war aufgegangen! Ich konnte ihn nicht sehen, nur seinen schwachen Lichtfilm
auf den bewaffneten Gestalten. [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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